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TANK

Interview mit dem hyperrealistischen Mural-Künstler TANK:

Urbane Kunst zeichnet sich mehr durch ihre Kompromisslosigkeit im Umgang mit dem Betrachter aus, als jede andere Kunstform.

Im Gegensatz zu vielen anderen Künstlern der Street-Art Szene, hältst du deine Identität nicht geheim, aber arbeitest unter dem Pseudonym TANK bzw. TXNK. Was steckt hinter dem Namen? 

Der Name selbst ergab sich praktisch aus einem Zufall heraus. Ca. 1997 hatte ich als Style-Maler eine Reihe Namen ausprobiert, und saß in meinem Zimmer, mit dem Alphabet vor mir, um einen neuen Namen zu kreieren, der endgültig sein sollte. Irgendwann in diesem Findungsprozess sah ich zum Fernseher hinüber, auf dem ein Film von Videokassette wiedergegeben wurde. Es lief TANK GIRL, eine Frau, die halbnackt mit ihrem Panzer durch die Wüste fuhr und alles Mögliche kaputt schoss. Das gefiel mir, und so kam ich in dem Moment zu meinem Namen. TXNK benutze ich nur, wenn wie im Fall von Facebook, das Wort selbst zensiert ist. Im Gegensatz zu vielen anderen Malern bereue ich die Namensgebung bis heute nicht. Viele Streetart Künstler geben sich heute keine Pseudonyme mehr, was auch eine Möglichkeit ist, mit dem Thema umzugehen. Es gibt ja kein richtig oder falsch im Kunstbereich, und Malerei, Fassadenkunst, Graffiti und Streetart verschmelzen zu wiederum nicht klar definierbaren, eigenen Konstellationen, was ich auch schön finde. Für mich aber gehört das Pseudonym als Künstler zu meiner Persönlichkeit. Meine eigentliche Identität ist nicht unbedingt geheim, aber ich kann sie verschleiern, wenn es sein muss, ohne dabei namenlos zu werden.

Wie lautet deine persönliche Definition von (urbaner) Kunst? Ist es für dich ein Job, eine Passion oder ein intrinsisches Bedürfnis? 

Urbane Kunst bedeutet auf jeden Fall sein gemütliches, klimatisiertes, mit Kühlschrank und Toilette ausgestattetes Atelier oder seine Wohnung zu verlassen, um sich stattdessen im Groß­stadt­dschun­gel (oder Kleinstadtdschun­gel) die Hände schmutzig zu machen, und einer anonymen Öffentlichkeit sein Wesen in Form einer Botschaft, Bildsprache oder anderweitig kreativ zu präsentieren. Sowohl legal, als auch illegal. Urbane Kunst zeichnet sich mehr als jede andere Kunstform durch ihre Kompromisslosigkeit im Umgang mit dem Betrachter aus.

Für mich in erster Linie eine Passion ist die Fassadenmalerei sehr früh auch ein Job geworden. Das ist sicher meinem Hang zur realistischen Malerei geschuldet, der sich sehr schnell bei mir abzeichnete. Bis ich allerdings an dem Punkt angelangt bin, an dem ich mich heute befinde, war es, wie man sich vielleicht denken kann, ein nicht gerade gradliniger Weg. Unter dem Strich bin ich aber am Ende immer meiner Intuition gefolgt und habe mich der Malerei zugewandt.

Du hast vor vielen Jahren im Jugendzentrum, in deinem Heimatort Leichlingen, mit dem Malen begonnen. Wie verlief dein künstlerischer Werdegang und wie bist du zur urbanen Kunst und zu deinem ersten Mural gekommen?

Das ist in der Tat gut recherchiert. Mein künstlerischer Werdegang verlief sehr isoliert. Ich habe oft im Stillen gemalt und “trainiert”. Ich habe auch Wände gesucht, die schlecht öffentlich zugänglich sind. Nur eine weiterführende Schule in meiner Heimatstadt habe ich eine Weile lang mit eigenen Motiven regelmäßig neu gestaltet. Ich habe sogar in den letzten Jahren das ein oder andere neue Bild dort angebracht. Durch verschiedene Umstände, wie beispielsweise das Arbeiten in Werbeagenturen oder Fotostudios, habe ich die Fassadenmalerei teilweise für längere Zeit unterbrochen. Diese Ausflüge haben aber meiner Malerei nicht geschadet, sondern im Gegenteil, sie eher im Nachhinein konzeptionell gestärkt.

Ich muss aber dazu sagen, das ich sehr offen gegenüber allen möglichen Kunstformen bin, und mich auch gerne für eine Weile in etwas anderes als die reine Malerei fallen lasse. Zudem baue ich ab und zu gerne größere und kleinere Prototypen, wenn ich etwas Zeit und eine gute Idee habe. Fotografie, Design, Kunst. Das sind alles Gebiete, die eine Menge an Training benötigen, um sie in ihrem gesamten Umfang zu erfassen und zu beherrschen. Da bleibt also praktisch keine Zeit für Partys oder Haustiere oder Ähnliches. Ich habe mich bewusst für diesen fokussierten Weg entschieden, um ein bestimmtes Niveau in der Fassadenmalerei immer weiter ausbauen zu können.

Dein Schwerpunkt liegt auf Mural Art und deine Spezialität sind fassadenhohe, hyperrealistische Wandgemälde. Wie kann man sich den organisatorischen und gestalterischen Ablauf eines solchen Werkes vorstellen? Welche Techniken nutzt du und wie ist es möglich, Proportionen in diesen Dimensionen (und direkt vor der Wand stehend) perfekt zu übertragen? 

Wenn der Entwurf final vorliegt, werden die entsprechenden Streichfarben und Sprühdosen Farbtöne ausgewählt und aufgelistet. Gerüst oder Hebebühne werden gebucht, und natürlich ein Team aufgestellt.

Zum Start benötigt man im Grunde nur ein sehr exaktes Raster auf der Wand. Das ist die Grundlage meiner Malerei. Dasselbe Raster habe ich natürlich verkleinert auf meinem Entwurf. Man kann sich auf diese Weise zu jedem Punkt auf der Wand messen, um zu überprüfen, ob genau genug gemalt wurde. Ein gewisser Erfahrungswert ist hilfreich, und wenn man in der Position ist, ein eigenes Team zu haben, bei dem jeder seinen eigenen Schwerpunkt mitbringt, hat das natürlich einen hohen Wert. Mir ist es wichtig, generell auf jeden Entwurf der umgesetzt werden soll, die richtige Antwort in Form einer entsprechenden Maltechnik zu haben. Mein Spezialgebiet ist die Porträtmalerei, und alles was lebendig wirkt. Da greife ich natürlich auf eine Fülle an eigenen Techniken zurück, die ich über die Jahre selbst entwickelt habe. 

Du arbeitest auch als Mural Artist für große Brands wie Netflix, Nike und Johnnie Walker. Einige urbane Künstler der Szene distanzieren sich klar von kommerziellen Aufträgen, im Sinne von urbane Kunst müsse urban und vor allem frei bleiben. Gab es für dich je einen Konflikt zwischen Street-Art und kommerziellen Aufträgen oder wurdest du schonmal dafür kritisiert?

Eigentlich nicht. Tatsächlich ist noch niemand an mich herangetreten, um kund zu tun, dass er oder sie etwas gegen die Art und Weise hat, wie ich meinen Lebensunterhalt bestreite. Ich glaube das hat etwas damit zu tun, dass ich nie versucht habe, Graffiti oder Streetart als Image zu verkaufen, sondern immer schon sehr realistisch gemalt habe, ohne typische Graffiti-Elemente optisch unterzumischen. Natürlich gibt es Abbildungen von Sprühdosen und Ähnlichem, aber ich habe sehr selten Graffiti Schriftzüge dazu gemalt. Das hat etwas damit zu tun, dass der klassische Schriftzug immer wieder den Namen des Künstlers wiedergibt, was mir offen gesagt zu eintönig ist. Das fühlt sich für mich an, als würde ich dasselbe Bild, immer und immer wieder in ähnlicher Weise malen, und dafür bin ich im Grunde der falsche Typ. Ich brauch immer etwas Neues, was mich fordert, sonst empfinde ich die Arbeit daran nicht als befriedigend. Ich bin aber auch in der glücklichen Lage, dass selbst meine privaten Malereien im Grunde aussehen wie Werbungen, nur ohne Logo. Aktuell bin ich dazu übergegangen mit Störern zu arbeiten, in dem ich die Models im Studio verschiedene Flüssigkeiten von Scheiben lecken lasse, und von der anderen Seite der Scheibe die Fotos schieße, die als Referenz für meine Malereien dienen. Auf diese weise störe ich den klassischen Beauty-Look, ohne “Glamour” einzubüßen.

Im Grunde ist der Sprung zur Werbemalerei leicht, wenn man ohnehin sehr realistisch malt. 

Nach welche Kriterien wählst du deine Projekte aus? Wie findest du legale Wände? 

Oft ist es tatsächlich so, das die Projekte mich aussuchen. Wird ein Beauty-Porträt benötigt, eine komplizierte Produktabbildung, oder aber auch eine Oberflächenstruktur-Abbildung, für die es keine offensichtliche Lösung gibt, komme ich ins Spiel. Ich arbeite fast nur mit spezialisierten Agenturen wie Xi-Design in Berlin, und dadurch arbeite ich auch nur an Umsetzungen für Top-Brands. Ich veröffentliche allerdings nur ca. ein Drittel der Fassaden, die ich male, da manche einfach nicht spannend genug sind um sie zu zeigen, oder ich daran gebunden bin, sie nicht zu präsentieren, obwohl ich das gerne würde. 

Legale Wände für eigene Projekte frage ich an, allerdings bin ich oft so eingebunden, dass ich auf Monate im Voraus ausgebucht bin. Da lässt sich nicht so leicht etwas Eigenes planen, vor allem weil solche Projekte auch dynamisch sein können, und man erst im letzten Moment alles konkret auf dem Tisch hat, und dann direkt starten muss. Daher male ich eher Leinwände, oder Festivals im Fall, dass es zeitlich passt.

 

Gestaltest du neben deinen Auftragsarbeiten auch inoffiziell mehr oder weniger legale Wände?

Ich bin wirklich sehr ausgelastet und mache mich lieber in der Zeit, in der ich nicht fest eingebunden bin daran, in meinem Atelier liegengebliebene Ideen umzusetzen, Entwürfe am Rechner auszuarbeiten, oder organisiere Fotoshootings.

Abgesehen davon, schlafe ich nachts auch einfach gerne 😉

Du hast in der Vergangenheit unter anderem auch Kunst an Schulen unterrichtet. Gibt es ein paar Tipps und Tricks, die du engagierten Nachwuchskünstlern heute mit auf den Weg geben würdest?

Dafür hätte ich mich vor 20 Jahren sicher ausgelacht, aber das Wichtigste ist eine exakte Vorbereitung, und ein unemotionales Auseinandersetzen mit dem Motiv. Die Herangehensweise, Ablauf und Techniken festlegen klingt anstrengend, ist aber der schnellere Weg zu einem zufriedenstellenden Ergebnis. Vor allem sollte man nicht aufgeben, wenn es gerade nicht so läuft. Wenn du länger an deinem Bild arbeitest als andere das machen, kommst du natürlich zumeist zum besseren Ergebnis. Schalte gewohnte Denkstrukturen ab, und halte dich für jede Maltechnik geistig offen. Beispielsweise gibt es Maler, die malen nur mit Montana Spraydosen. Jetzt habe ich aber alle Hautfarben eines jeden Herstellers selbst auf Karten auflackiert, und kann die Farben herstellerunabhängig aneinander legen und vergleichen, und habe festgestellt, das es hervorragende Farbreihen gibt, die im Verborgenen geblieben wären, hätte ich mich nur auf einen Hersteller beschränkt. So male ich MTN, Molotow, Montana GOLD, Montana Black, Loop, und diverse Transparentfarben ineinander, und bekomme ein ganz besonderes Ergebnis. Fass ruhig dein frisches Bild an und kratzte eine Struktur mit den Fingern oder Pappe vor allem in Haare oder kleine Highlights. Ein Pinsel mit Aceton zusammen kann auch einem Bild ganz feine Züge geben, die einen Unterschied machen. Wenn man herausstechen will, sollte man sich auf jeden Fall, und vor allem nicht selbst, in eine Denkweise einsperren, die einen davon abhält, näher an sein Wunschergebnis zu kommen, nur um einer speziellen Szene gerecht zu werden, und alles aus der Hand zu machen, obwohl man auch hätte Projizieren können. Es kommt natürlich nicht nur auf das Ergebnis an, sondern auch darauf das man Spaß während des Malens hat. Wenn man über dieses aber im finalen Ergebnis nicht glücklich ist, kann man sich überlegen, ob man nicht vielleicht ungewöhnliche oder eigene Techniken anwendet, um beides zu bekommen: Spaß am Malen und ein top Ergebnis.

Gibt es eine Stadt oder ein Land, in dem du am liebsten arbeitest? 

Eigentlich bin ich überall gerne. Nur Länder die besonders heiß sind, bereiten mir etwas Schwierigkeiten, aber dann kämpfe ich mich halt durch. Eigentlich sind die Umstände, das Land oder das Wetter nicht entscheidend für mich, sondern die oft tollen Künstler auf den Festivals, und ungewöhnlichen Locations. Ich schaue dann oft einfach eine Weile zu und unterhalte mich mit den anderen Künstlern. Deren Intention, warum sie etwas Malen und warum auf diese Weise, ist jedes Mal erneut überraschend und interessant.

Was waren die außergewöhnlichsten Erlebnisse deiner bisherigen Laufbahn, positiv wie auch negativ?

Da stellt sich die Frage, was man denn als gewöhnlich bezeichnet, wenn man mit wechselnden Künstlern aus allen möglichen Regionen und Ländern umherzieht, um Fassaden zu bemalen. Ich merke meistens erst im Gespräch mit Leuten, die andere Berufe ausüben, wie außergewöhnlich mein Alltag oft ist. Im Grunde lässt sich die Frage nach Erlebnissen für mich nicht klar beantworten, weil es oft ein Vipe auf einem Festival oder ein Verfahren bei einem Job ist, das sehr außergewöhnlich war. Es ist ein nicht wirklich fassbarer Spirit, der manche Projekte umhüllt.

Gibt es Pläne, Projekte oder Träume für die Zukunft?

Im nächsten Jahr plane ich einige ungewöhnliche Umsetzungen, aber dazu kann ich jetzt noch nichts sagen. Nur das ich sehr tief in die Trickkiste greifen werde.

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TANK / Eike Conzen

Berlin, Germany

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© TANK

 

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Februar 2021