SAM CREW
Interview mit Street-Artist John Park:
Meine Kunst ist eher verschlüsselt, abstrakt. Es geht um das Leben, ich verarbeite einfach alles, was mir so durch den Kopf geht, was mich bewegt.
Sam Crew – ihr seid ein Kollektiv, das bereits seit vielen Jahren aktiv ist und seine Base in Berlin hat. Ursprünglich habt ihr euch aber als Gruppe von Freunden in Schwerin zusammengefunden. Wie kam es zur Bildung der Crew und wie habt ihr euch über die Jahre weiterentwickelt?
Ich bin in der Nähe von Schwerin aufgewachsen, in einem kleinen Dorf. Damals haben wir viel Hip-Hop gehört. An einem Sommerabend haben ich mit zwei Freunde eine Graffiti-Crew gegründet, die RDL-Crew.
Zwei Tage später haben wir an einer Bushaltestelle unser erstes Bombing gemalt. Am Tag darauf waren wir das Gesprächsthema Nr. 1 im Dorf. Alle haben uns gefragt: „Was soll denn RDL heißen? Doch bestimmt Ronny, Dennis und Lars, oder?“ Richtig schön dumm, wir waren halt jung. Danach haben wir unsere Karriere als Bomber erstmal auf Eis gelegt. Mein Interesse für Graffiti war aber geweckt, da ich auch schon immer viel, hauptsächlich Comics, gezeichnet habe.
Mit 21 Jahren bin ich dann nach Schwerin gezogen. Die Graffiti-Szene war zu diesem Zeitpunkt auf dem Höhepunkt. Das inspirierte und puschte mich. Die Straßen waren bunt. Ich wollte da mitmachen. Ich bin dann mit der Dose raus und fing an, kleine Astronauten zu malen, die immer verrückte Sachen gemacht haben. Das war mein erster Schritt auf dieser langen Reise. Irgendwann habe ich die Sam Crew kennengelernt und wir wurden Freunde. Die Jungs kannten sich untereinander alle noch aus der Schule.
Wir waren als Crew viel unterwegs und hatten eine Menge Spaß. Irgendwann sind wir dann alle aus beruflichen Gründen nach Berlin gezogen – Schwerin wurde uns einfach zu klein.
Mit dem illegalen Graffiti wurde es dann mit den Jahren immer weniger. Irgendwann kommt halt der Alltag und Bomben ist einfach nicht mehr drin – es sei denn, man braucht keinen Schlaf.
Das Schöne an Berlin ist, dass man hier auch legal ganz entspannt seinen Style malen kann – es gibt fast in jedem Bezirk eine Hall.
Ich fing dann mit Streetart an, was eine sehr gute Idee war. 😊 Die Streetart-Szene in Berlin war schon sehr groß, man unternahm viel zusammen und ich blieb nicht lange allein in diesem Bereich. Den Namen Sam Crew habe ich beibehalten, obwohl meine Freunde der Crew nicht viel mit Streetart am Hut hatten. Mir aber war der Name wichtig, weil wir schon ein geiler Freundeskreis waren. Ein paar Jahre später lernte ich dann Hazard Hope kennen. Er kommt, genau wie ich, aus einem kleinen Kaff in Mecklenburg-Vorpommern und er wurde bald auch ein Mitglied der Sam Crew. Von da an war ich im Streetart-Sektor kein Einzelgänger mehr in der Crew. Hope war auch jemand wie ich, der alles mal ausprobiert. Von Stencil bis hin zum Pinselstrich – das passte einfach.
Warum hast du dich dazu entschieden, Kunst im öffentlichen Raum zu machen?
Kunst auf der Straße hat mich schon immer fasziniert. Da ich vorher schon Graffiti gemacht hatte, war mir die Straße nicht neu. Ich merkte schnell, dass das Kleben von Postern ganz entspannt ist. Es ist schon ein besonderes Gefühl, seine Arbeiten auf der Straße zu sehen: die Figuren erwachen zum Leben und können mit der Umgebung interagieren. Oftmals bekommt man unmittelbar ein Feedback aus der Szene, von Freunden oder von Menschen, die sich dafür interessieren. Das puscht einen schon enorm, bei der Sache zu bleiben.
Wie würdest du Street Art definieren? Besteht für dich eine Trennung zwischen Graffiti und Street Art?
Die Definition von Streetart ist, wie der Name schon sagt, Straßenkunst.
Natürlich sind Streetart und Graffiti ähnliche Kunstformen, aber es besteht ganz klar eine Trennung. Die Graffiti-Szene lehnt Streetart sogar teilweise ab, weil beides auf der Straße stattfindet, aber nicht harmonisiert. Graffiti ist illegal, der Aufwand ist enorm, die Strafen sind sehr hoch, der Wettbewerb ist ein ganz anderer.
Streetart ist natürlich auch teilweise illegal, aber nicht mit Graffiti vergleichbar. Man kann in Berlin oder Hamburg auch tagsüber rausgehen und Poster kleben: Wenn man Pech hat, bekommt man eine kleine Geldstrafe vom Ordnungsamt. Mir ist das in all den Jahren aber noch nie passiert.
Wie viele Member zählen aktuell zu Sam Crew?
Wie schon gesagt, sind wir zu zweit. Mit Hazard Hope male ich noch ein- bis zweimal im Jahr eine Wand, wenn ich aber Poster kleben gehe, mache ich das meist mit Kollegen aus der Berliner oder Hamburger Szene. Hope hat sich die letzten Jahre mehr auf das Tätowieren konzentriert.
Du vereinst unterschiedliche Styles und Ausdrucksformen – von Graffiti und Roll-ups über illustrative, grafische und comic-inspirierte Motive, gesprayt, geklebt und gemalt. Wie hast du deinen individuellen Stil gefunden? Was sind deine Inspirationsquellen?
Probiere gerne alles mal aus und bin in vielen Bereichen tätig, daher die unterschiedlichen Styles. Als Kind habe ich viel Comics gezeichnet und später kam halt Graffiti bzw. Streetart und die Ausbildung zum Graphikdesigner dazu. All das hat mich geformt. Das Schöne an der Kunst ist, dass es so viele Möglichkeiten gibt, sich auszudrücken. Ich persönlich brauche auch einfach diese Abwechslung – egal, ob es beim Stil (Comic, abstrakt, illustrativ) oder bei den Materialien (Dose, Pinsel, Hammer, Rolle, digital, etc.) ist.
Die Inspirationsquelle ist das Leben und alles, was da so mit reinspielt. Man holt sich aber natürlich auch viel aus Filmen, Büchern, Musik und Comics.
Welche Message möchtest du vermitteln? Welche Reaktionen beim Betrachter hervorrufen?
Die Comics sind auf den Punkt und leicht verständlich. Politisch, komisch und verrückt. Meine Kunst ist eher verschlüsselt, abstrakt. Es geht um das Leben, ich verarbeite einfach alles, was mir so durch den Kopf geht, was mich bewegt. Mir ist aufgefallen, dass oft jeder etwas anderes in meiner Kunst sieht. Es ist echt interessant, was Menschen so in meinen Arbeiten für sich entdecken.
Suchst du dir die Spots im Vorfeld aus und planst die Werke dementsprechend, oder ist es eine spontane Entscheidung, wo du ein Werk platziert?
In Berlin schaue ich schon konkret nach Spots, die mir besonders gut gefallen. Ich mag es gerne, wenn sie ein bisschen versteckt und nicht so clean sind. Wenn ich in Hamburg unterwegs bin, ist die Location eher zweitrangig, da geht es für mich einfach um das Zusammensein mit Kollegen.
Du selbst hast bereits an verschiedenen Ausstellungen auf internationalem Level teilgenommen und mit unterschiedlichen Galerien zusammengearbeitet. Wie stehst du zur Diskussion Urban Art müsse urban und publik bleiben?
Ich sehe das ganz locker. Der Streetartist verkauft in der Galerie keine Straßenkunst, sondern seine Kunst. Mich stört es nicht, wenn Galerien oder Künstler mit dem Begriff „Streetart“ werben. Ich freue mich für jeden, der mit seiner Kunst Geld verdienen kann. Kunst ist doch etwas Schönes und vielseitig.
Du bist schon eine lange Zeit in Berlin aktiv und hast im Laufe der Jahre vermutlich auch hier einige Veränderungen im urbanen Bild, oder der generellen Akzeptanz bzw. Ablehnung von Street Art erlebt. Ist Berlin nach wie vor ein “Sprayer und Street Art Paradies”? Wie siehst du die generelle Entwicklung der Szene in den kommenden Jahren?
Es lässt sich nach wie vor gut in Berlin (k)leben. Die Stadt ist immer noch wunderschön, aber es verschwinden mit den Jahren immer mehr bunte Ecken, Grünflächen, Vereine und Clubs für neue Immobilien, die kaum ein Mensch braucht. Ein neues Einkaufscenter oder noch ein Bürokomplex macht Berlin nicht unbedingt schöner. Aber es lässt sich leider nicht aufhalten. Das ist nun mal der Lauf der Dinge.
Abschließend, was sind deine zukünftigen Pläne, Projekte oder Träume?
Das letzte Jahr war kein einfaches Jahr – das macht das Träumen oder auch das Umsetzen von Projekten momentan leider etwas schwierig. Aber mir geht es gut und mir wird nie langweilig. Das ist das Wichtigste. Ich hoffe einfach, dass wir alle gesund bleiben und diese Zeit gut überstehen.
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