OKSE 126
Interview mit dem Berliner Künstler OKSE 126 / CMYK Dots:
Streetart ist für mich arbeiten auf der Straße, in Form von Paste-Ups, Stencils, Installationen und anderen kreativen Arten den urbanen Raum umzugestalten. Wenn ich in eine Galerie gehe und beispielsweise Stencil Arbeiten sehe, ist das für mich keine Streetart nur weil es aussieht wie etwas, dass auch auf der Straße zu finden ist.
Du bist gebürtiger Berliner und hast vor über 20 Jahren in den Straßen Berlins nach der Wiedervereinigung mit Graffiti begonnen, woher auch dein Tag und Künstlername OKSE 126 stammt. Auf Graffiti folgte abstrakte Malerei und seit 2016 liegt dein Fokus auf dem CMYK Dots Projekt.
Wie bist du ganz generell zur Kunst gekommen, und was hat dich dazu bewegt, dir die Straße als Leinwand auszusuchen?
Zum ersten Mal in Berührung mit Kunst, oder in meinem Fall speziell Graffiti, bin ich in der Grundschule gekommen. Neben mir saß ein Mitschüler, der in meiner Kinder-Kopf-Erinnerung, extrem geile B-Boy Character gemalt hat. Ich war so begeistert von der „coolen“ Attitüde der Figuren und den Schriftzügen daneben, dass ich das auch machen wollte. Der zweite Moment, der mich dann komplett umgehauen hat, war als ich am Bundesplatz am Basketballplatz war. Ich saß auf so einem kleinen Haus und konnte über eine Mauer gucken. Ich hatte damals noch keine Ahnung was genau ich da sehe, aber es kamen drei Jungs von den Gleisen runter und haben angefangen zusammen ein Bild zu sprühen. Ich konnte gar nicht fassen, was sich da am helllichten Tag vor meinen Augen abspielt und hatte zu dem Zeitpunkt auch keine Ahnung, dass es die alte AMOK Hall of Fame war. Wen ich da genau gesehen habe, weiß ich leider nicht mehr. Dafür war ich noch zu jung und hatte keine Ahnung. Aber meine Leidenschaft war dadurch extrem entfacht. Ich habe dann auch angefangen durch die Straßen zu laufen und Graffitis in meiner Gegend zu fotografieren. Ich war unglaublich begeistert von den ganzen alten Malern, die damals aktiv waren. RCB, OCB, DRM, BAD und all die anderen. Auch das Mysterium, dass man keine Ahnung hatte wer dahintersteckt, hat die Sache für mich extrem spannend gemacht.
Das sind die zwei Erinnerungen die bei mir hängen geblieben sind. Ansonsten kamen noch die Medien dazu, die es damals gab und die mich sehr inspiriert haben. Beispielsweise die Backspin oder Juice, die ich mir wegen dem Graffiti Teil geholt habe oder Graffiti Filme damals noch auf VHS. Das waren für mich damals die Quellen auch Maler aus anderen Städten zu entdecken. Internet gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Und warum ich mir die Straße ausgesucht habe… Ich wollte einfach Teil von dieser Subkultur sein, die mich fasziniert und begeistert hat. Ich habe als Teenager nach einem Zugehörigkeitsgefühl gesucht, etwas in dem ich mich beweisen kann und in dem ich gut bin.
Wie wichtig ist es deiner Meinung nach, auf dem Laufenden zu bleiben, verschiedene kreative Techniken zu testen und zu experimentieren? Und wie sehr hat dir vielleicht auch die Zusammenarbeit mit anderen Künstlern dabei geholfen, dich verschiedenen künstlerischen Ansätzen zu nähern?
Ich finde das ist komplett individuell. In meinem Fall macht es mir Spaß zu experimentieren und neue Materialen auszuprobieren, neue Wege zu finden die meinen Prozess beschleunigen oder auch meine Arbeiten resistenter gegen Umwelteinflüsse zu machen. Ich finde das ist aber nicht übertragbar auf Künstler allgemein. Wenn du eine Technik gefunden hast mit der du gut fährst, dann zieh durch. Warum etwas ändern, wenn du damit deine Ziele erreichst?!
Ich nehme aus jeder Zusammenarbeit mit anderen Künstlern etwas mit. Sei es neue kleine Tipps und Tricks, gerade wenn man mit dem gleichen Material arbeitet kann man eigentlich immer etwas vom anderen lernen und auch selber etwas weitergeben. Das wichtigste an Zusammenarbeiten ist für mich aber immer das Gefühl, dass man die gleiche Leidenschaft teilt. Ich gehe eigentlich aus jeder gemeinsamen Aktion mit einem motivierten Gefühl raus und hab Bock auf mehr. Dafür bin ich den Leuten aus meinem Umfeld sehr dankbar!
Wie würdest du dich selbst definieren und warum? Künstler? Street Artist? Etwas anderes?
Also wenn du mich bitten würdest, einen Künstler zu beschreiben, dann würde am Ende nicht ich als Person rauskommen. Mir fällt es schwer mich als irgendetwas zu definieren oder zu bezeichnen. Von der Aussage „Ich bin…“ halte ich mich eher fern. Für mich ist es angenehmer zu sagen, was ich mache. Ich mache aktuell Streetart. Manchmal mache ich Kunst. Ich mache aber auch noch andere Sachen, die genauso Teil meines Lebens sind. Ich denke das definieren, sollten Außenstehende übernehmen, indem Sie entscheiden, was Sie in mir sehen. Für die einen bin ich Künstler, weil Sie nur den Teil von mir kennen, für die Anderen bin ich Streetart Künstler, weil Sie meine Arbeiten auf der Straße entdecken. Ich würde mich ja selber auch nicht als Koch definieren, nur weil ich mir jeden Tag Essen mache.
Deine aktuellen Werke, die CMYK Dots, sind in den vier Farben der Druckerei gehalten: Cyan, Magenta, Gelb und Schwarz. Stets an gut ausgewählten Orten mit hoher Visibilität, ohne sich dem Betrachter aufzudrängen oder durch ihre Größe hervorzustechen. Eine Hommage an den Pointillismus, wie du einmal sagtest, ‘the modern way of pointillism’. Quasi maximaler Minimalismus.
Wie kam es zu der Idee für dieses Projekt?
Das war eher Zufall und hat sich aus mehreren Schritten ergeben. Ich habe in den letzten Jahren, in denen Graffiti für mich noch eine größere Rolle gespielt hat, immer mal wieder drüber nachgedacht, ob es nicht etwas gäbe was ich im Bereich Streetart machen könnte. Mir hat beim legalen Graffiti malen irgendwann der Reiz gefehlt. Illegal war sowieso vorbei. Entweder ganz oder garnicht. Ich bin dann eher in Richtung abstrakte Malerei auf Leinwänden und teilweise auch auf Wänden gegangen. Ich habe dann kurze Zeit angefangen, die Leinwände auf der Straße anzubringen, weil ich es nervig fand die Dinger zu Hause sinnlos rumstehen zu haben. Ich habe aber relativ schnell gemerkt, dass die Motive auf Leinwand zwar meinen Geschmack treffen und im Innenbereich geil aussehen, Sie aber auf der Straße komplett untergehen und an Reiz verlieren. Überall zu viel Struktur, Elemente, Werbung usw… Ich habe dann eine kleine Serie auf runden Leinwänden angefangen, die ich schwarz/weiß gestaltet habe mit Cyan, Magenta und Gelb als Akzent-Farben. Hat aber nichts geändert. Sobald die Dinger auf der Straße hingen, sind Sie komplett untergegangen.
Ich habe dann einfach mal vier der runden Leinwände genommen und Sie einfarbig in CMYK gemalt. 3 Blicke und 1 Trinkpäckchen später war mein Gedanke „Knallt, mach ich!“
Bin dann direkt los mit einer Freundin und hab vier Spots in Berlin gemacht. Danach ging es sofort nach London, Hamburg und Barcelona und es war klar, das wird jetzt noch eine Weile durchgezogen!
Dein Ziel, 1000 CMYK Dots in 100 Städten und 10 verschiedenen Ländern zu platzieren, hast du mittlerweile bereits überzielt. Nach aktuellem Stand sind es 1200 Dots, in 120 Städten, in 18 Ländern. Wenn du die Möglichkeit hättest, dir irgendwo auf der Welt einen Ort auszusuchen, an dem du deine Kunst verwirklichen könntest, welcher wäre das und warum?
Also ich habe ja glücklicherweise gefühlt schon viel gesehen von der Welt. Auch vor meinem CMYK Dots Projekt bin ich gerne und viel gereist. Insofern habe ich aktuell nicht den einen Ort den ich unbedingt mal sehen will. Aktuell reizt mich Asien wieder, da würden bestimmt ein paar sehr schöne Aufnahmen entstehen. Aber meine Arbeiten im Flugzeug mitzunehmen ist immer etwas unpraktisch, insofern wird das in naher Zukunft leider nicht passieren.
Was begeistert und fasziniert dich so an Reduktion und Minimalismus?
Ich finde einfach, dass die Welt, gerade große Städte wie Berlin (meine Heimatstadt) einfach komplett überladen sind. Alles mit Werbung vollgerotzt, überall blinkender Blödsinn, lautes Gehupe, Handy auf Lautsprecher, JBL-Trash-Mukke-Boxen auf Anschlag… Ich finde einfach, dass minimalistische Sachen mittlerweile mehr herausstechen. Und vor allem auch charmanter sind. Wenn ich durch die Straßen laufe und etwas sehe, was ausstrahlt „Guck mich an Amigo wenn du Lust dazu hast, wenn nicht, ist auch ok“, dann fühl ich mich doch viel wohler, als wenn mich etwas visuell anschreit. Der Punkt bezieht sich zwar eher auf Werbung, aber Kunst im öffentlichen Raum steht ja in harter visueller Konkurrenz zu Werbung. Durch irgendeinen Aspekt muss man sich ja abheben bzw. unterscheiden und in meinem Fall ist es der Minimalismus, den ich zum einen gerne selber umsetze, aber auch gerne selber konsumiere. Auch in der abstrakten Malerei geben mir minimalistische Arbeiten (oft) mehr als komplexe Arbeiten.
„Man sollte sich davon frei machen, immer nach einer Message zu suchen“ ist ein Zitat von dir. Was denkst du, was die Leute fühlen oder denken, wenn sie eines deiner Werke auf der Straße sehen? Gibt es nichts, was du ihnen mit auf den Weg geben willst?
Wenn Leute durch die Straße laufen und Freude dabei haben, meine Arbeiten zu entdecken, dann ist das doch eine wunderbare Sache. Ich finde es unnötig bei allem was man tut immer eine Herleitung, Bedeutung oder Aussage suchen zu müssen. Ich bin kein Mensch der sich anderen unbedingt mitteilen möchte. Ich habe meine Meinung und teile diese auch gerne mit Leuten die ich kenne, aber ich würde nicht auf die Idee kommen unbekannten Menschen irgendetwas mit auf den Weg geben zu wollen. Wer bin ich, dass ich dazu „berechtigt“ bin? Nur weil ich vermutlich etwas bekannter bin als Otto von nebenan, heißt das ja nicht dass meine Meinung mehr Wert hat. Ab und an ein bisschen Humor auf Instagram und dann passt das. Mehr brauch es von mir nicht zu geben. Ich denke, wenn Leute meine Kunst mögen, dann verstehen Sie schon was dahintersteckt und wofür ich stehe.
Was hältst du von der zunehmenden Verbreitung von Graffiti und Street Art in Galerien und Museen?
Also grundsätzlich ist das für mich eine positive Entwicklung. Natürlich muss jeder selbst entscheiden, ob er denkt das ein klassisches Graffiti auf Leinwand in eine Galerie gehört. Ich würde es mir nicht anschauen. Aber Graffiti Künstler die Ihren Stil weiterentwickeln und Galerie tauglich machen, perfekt. Zieh ich mir liebend gern rein.
Ja und bei Streetart ist es glaube ich eine Frage der Definition. Streetart ist für mich arbeiten auf der Straße, in Form von Paste-Ups, Stencils, Installationen und anderen kreativen Arten den urbanen Raum umzugestalten. Wenn ich in eine Galerie gehe und beispielsweise Stencil Arbeiten sehe, ist das für mich keine Streetart nur weil es aussieht wie etwas, dass auch auf der Straße zu finden ist. Das ist dann einfach jemand der gerne mit Schablonen arbeitet. Mehr nicht. Das als Streetart zu verkaufen, finde ich dann wiederum nicht so cool. Aber das ist auch nur meine Meinung. Am Ende ist alles eine Frage der Definition und des Geschmacks. Wenn jemand die Chance hat mit seiner Kunst Geld zu verdienen, dann soll er die Chance nutzen. Wir alle haben unsere Rechnungen zu zahlen und können dankbar sein, wenn jemand unsere Kunst so feiert, dass er bereit dafür ist Geld auszugeben. Am Ende ist es eine Form der Anerkennung für unser kreatives Schaffen.
Inwieweit hat deine Arbeit auf der Straße Einfluss auf deine Arbeiten im Studio?
Also im Grunde ist das für mich eins. Meine Arbeiten die ich produziere sind ja fast ausschließlich für die Straße. Das Einzige was ich rückblickend feststellen konnte, ist das meine Arbeiten immer größer werden. Dadurch das ich auf der Straße mittlerweile um einiges höher arbeite als früher, müssen auch die Arbeiten größer sein um noch Ihre Wirkung zu erzielen. Mini Dots in 6m Höhe gehen komplett unter.
Woran arbeitest du aktuell? Pläne und Träume für die Zukunft?
Also neben den klassischen Dots, arbeite ich aktuell an etwas aufwendigeren Arbeiten, die mehr in die illustrative Richtung gehen. Die Abwechslung brauche ich gerade nach 6 Jahren Vollgas. Ansonsten ist in Planung, mal wieder mehr in Richtung Wandgestaltung zu gehen, was die letzten Jahre ein bisschen auf der Strecke geblieben ist. Ja und ein absoluter Traum wäre es mal eine komplette Hausfassade mit CMYK Dots zu bemalen.
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Pictures © OKSE 126
July 2022
by Laura Vetter