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MONEY FOR NOTHING

Interview mit Dominique Barlaud über MONEY FOR NOTHING:

Das Projekt wurde konzeptionell, während es entstand. Jedes der Werke wurde gekauft und einige der Geldscheine sind Museumsstücke. Ich möchte, durch den rechtlichen Status, den unteilbaren und nicht-kommerziellen Charakter der Sammlung sicherstellen. Die Unmöglichkeit, sie weiterzuverkaufen, wird ihr also jeglichen kommerziellen Tauschwert entziehen.

Du bist Architekt und Kunstsammler und hast mit MONEY FOR NOTHING ein einzigartiges Projekt gestartet, das bemalte Geldscheine von 1001 urbanen und zeitgenössischen Künstlern aus der ganzen Welt zusammenbringt. Kannst du uns mehr über dich erzählen und wie und wann die Idee für das Projekt geboren wurde?

Aus einem bescheidenen ländlichen Umfeld kommend, habe ich seit meiner Kindheit einen sehr starken Gefallen an der Kunst entwickelt. Sehr schnell wurde sie zu einem wichtigen Bestandteil meiner Lebensenergie. Bevor ich mit diesem speziellen Projekt begann, waren die Bereiche der Kunst, für die ich mich interessierte, recht breit gefächert, aber eher an der zeitgenössischen Kunst orientiert, insbesondere an der Cobra-Bewegung. Vor neun Jahren, um genau zu sein am 11. September, schenkte mir ein befreundeter Architekt zum Geburtstag den Film „Make the Wall“ von Banksy. Das Anschauen dieses Dokumentarfilms löste eine ganze Reihe von unvorhersehbaren Ereignissen aus. Nachdem ich diesen Film verschlungen hatte, entdeckte ich die unbekannte Welt der urbanen Kunst. Mit ein paar Klicks nahm ich Kontakt zu Speedy Graphito auf, einem der ersten Künstler, mit dem ich in Kontakt gekommen war. Zwei Tage später, so unerwartet wie das Treffen von Brainwash mit Banksy, traf ich Speedy Graphito. Dann vermehrten sich die Glücksfälle weiter und bestärkten mich regelmäßig darin, dieses Abenteuer fortzusetzen. Dieses Treffen war einer der Hauptauslöser für das Projekt, indem es mich dazu brachte, meine Augen zu öffnen und mich von den vielen Vorurteilen zu lösen, die ich ursprünglich hatte.

Was ist deine Beziehung zur (urbanen) Kunst? Warum hast du dich entschieden, für dieses Projekt speziell mit urbanen Künstlern zu arbeiten? 

Der Geldschein ist ein komplexes, paradoxes und sehr symbolisches Objekt, zu dem ich seit meiner Kindheit eine besondere Beziehung habe. Als Kind begleitete ich meinen Vater, einen umherziehenden Händler und „Schnäppchenjäger“, auf seinen Touren durch die Lande. Jeden Tag sah ich ein Ritual, das sich immer wiederholte: Mein Vater tauschte Waren gegen Papierstücke. Am Abend versteckte meine Mutter das Geld in Pappkartons. Dies geschah in den späten 70er Jahren, auf dem tiefen Lande, ohne Internet und Kreditkarten. Ich denke, ich habe diese „magische“ Beziehung zur Banknote behalten, nicht wegen des Wertes, den sie darstellt, sondern wegen des Objekts. 

Graffiti und Geldscheine pflegen viele Parallelen und Paradoxien: Diese Kunst, die ursprünglich kostenlos auf der Straße ausgestellt wurde, hat nach und nach ihren Weg auf die Wände der Galerien gefunden und einen Marktwert erlangt, der durch die Banknote symbolisiert wird. Gleichzeitig verschwindet die Banknote, die seit Jahrhunderten die dominierende Währung war, allmählich zugunsten einer virtuellen Monetarisierung. Wie Graffiti ist die Banknote international und drückt sich in allen Kulturen aus: Sie ist auch ein Kommunikationsmittel für Staaten und sie unterliegt dem Verschleiß der Zeit, wie ein Fresko an einer Wand. Schließlich stellt sie in sich selbst ein zweiseitiges Kunstwerk dar, was besonders interessant ist, weil ein Künstler seine Kunst kostenlos auf der Straße anbietet. Die Banknote war durch die Länder und die Geschichte hindurch oft ein Mittel der Propaganda oder der Kommunikation über ihren „Markt“-Wert hinaus, genau wie die urbane Kunst.

MFN 25 by MOABIT

MFN 8 by ESPER HEC

MFN 49 by L’OUTSIDER

MFN 41 by MAT ELBÉ

Du hast, neben vielen anderen, mit Künstlern wie Andy Warhol, Banksy, Shepard Fairy und Keith Haring gearbeitet. Wie wurden die Künstler ausgewählt? Wie ist dein organisatorischer und methodischer Weg, dieses Projekt zu realisieren?

Am Anfang hatte ich kein Ziel vor Augen, dieses Projekt war vor allem ein persönliches Projekt. Die Dimension der Unterstützung und auch der Preis der Werke erlaubte es mir, viele Stücke zu sammeln. Bald schon drängten mich Künstler und Galeristen in dieses verrückte Projekt. Die Auswahl der Künstler war anfangs opportunistisch, dann nahm das Projekt durch Mundpropaganda Fahrt auf. Trotzdem hatte ich den Wunsch, die bekanntesten Künstler der Branche und die aufstrebenden in diesem Projekt zusammenzubringen. 

Heute habe ich etwa 750 Künstler von den 1001, die das Projekt enthalten wird. In den letzten zwei Jahren habe ich mehr nach ausländischen Künstlern und Künstlern mit anderen Hintergründen als Graffiti oder Street Art gesucht, also habe ich mit Cartoonisten, Bildhauern und Glaskünstlern gesprochen. Ein Team von etwa zehn Leuten, die alle gleichermaßen leidenschaftlich sind, helfen mir bei der Suche nach Künstlern, mithilfe von Listen unvermeidlicher Namen, natürlich.

MFN 55 by BANKSY

MFN 74 by SHEPARD FAIREY

MFN 77 by KEITH HARING

MFN 45 by JEAN MICHEL BASQUIAT

MFN 75 by ANDY WARHOL

MONEY FOR NOTHING hinterfragt mit Humor, Provokation und Faszination die komplexe Beziehung zwischen Kunst und Geld. Waren die Künstler völlig frei in Bezug auf Themen, Motive und künstlerischen Ausdruck?

Die Vielfalt der Werke ist enorm. Gesammelt über zehn Jahre, zeugen sie von unserer Zeitgeschichte und deren Zukunft, in Form von Augenzwinkern oder auch ernsteren Themen. Einige Künstler zeigen eine große Luzidität der Welt, indem sie das aktuelle Geschehen subtil aufgreifen. Einige Werke sind Ausdruck des Bewusstseins. Einige Werke haben sich zum Ziel gesetzt, ökologische, libertäre, antimilitaristische, antikapitalistische oder andere eindringliche Botschaften zu vermitteln. Einige Ansätze sind eine satirische Vision der Gesellschaft. Andere Werke sind grafisch, abstrakt und figurativ. Die Künstler sind frei in der Wahl ihrer Themen, die ich manchmal erst nach Fertigstellung des Werkes entdecke. Auch in der Wahl des Mediums sind sie frei, nur eine Banknote muss Bestandteil sein. Ich stehe in engem Austausch mit den Künstlern und wünsche mir, dass die Banknote nicht nur ein einfacher Träger ist, sondern dass es eine Verbindung zwischen ihrem Ursprung und den Bildern gibt, die sie letztendlich vermittelt, so dass man die Energien spürt, die die Kreation angestoßen haben, wenn man das fertige Werk sieht!  

Die Basis der Sammlung besteht aus Street-Art, Graffiti und Pop-Art, aber ich habe mich nach und nach anderen künstlerischen Formen genähert, wie zum Beispiel dem Kino, der Bildhauerei, Comics und dem Schreiben. Ich wollte, dass dieses Projekt Aspekte über die Straße hinaus integriert, auch wenn die Ähnlichkeiten zwischen Geldscheinen und Street Art für mich die offensichtlichsten sind.

MFN 21 by JESUS IACHINI

MFN 105 by TEFI

MFN 12 by ERNESTO NOVO

MFN 104 by STOUL

MONEY FOR NOTHING präsentiert eine noch nie dagewesene Sammlung von 1001 Originalwerken, die von 1001 Künstlern auf Banknoten aus verschiedenen Epochen und Ländern gemalt wurden. Wo und wie werden die Werke ausgestellt? Auf welche kuratorischen Herausforderungen stößt du, wenn es um urbane Kunst und ihren freien Geist geht?

Wir haben uns entschieden, dieses 1001-Künstler-Projekt der Öffentlichkeit zu präsentieren, indem wir mehrere Ausstellungen organisieren. Natürlich möchte ich, dass die erste in meiner Stadt, Paris, stattfindet. Wir haben bereits damit begonnen, verschiedene emblematische Orte in der Hauptstadt anzusprechen.

Dieses riesige Projekt wird nach und nach strukturiert. Bis heute haben sich rund zehn Freiwillige bei MONEY FOR NOTHING gemeldet, die sich alle leidenschaftlich für das Projekt einsetzen und dazu beitragen. Gleichzeitig sind professionelle Fähigkeiten für diese Organisation notwendig, deshalb haben wir uns mit engagierten Partnern zusammengetan. Dazu gehören ein Szenograf, Juristen, Buchhalter, Kommunikatoren, ein Webmaster und Grafikdesigner. Die Energie von allen ist grundlegend und gibt diesem besonderen Projekt seinen Sinn.  

Die Szenografie des Projekts wird mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtet. Mehr als 2000 Werke zu inszenieren wird eine Herausforderung sein: Ich möchte Stimmungsbilder, Performances, Workshops für Kinder und Erwachsene, Projektionen und neue Universen erschaffen. Alles vereint in einem universellen Geist, der die Seele dieser Ausstellung an den verschiedenen Orten, an denen sie zu sehen sein wird, definiert.

Ich möchte dieses Projekt auch so vielen Menschen wie möglich zugänglich machen, deshalb arbeiten wir auch daran, durch zwanzig Städte in Frankreich zu touren. Dann werden wir MONEY FOR NOTHING in verschiedenen Städten auf der ganzen Welt präsentieren; ausländische Galerien haben bereits Interesse gezeigt. Die Veranstaltungen in ihren verschiedenen Formen, die 1001 internationale Künstler zusammenbringen, welche mit Geldscheinen aus allen Ländern und allen Epochen arbeiten, werden eine große und noch nie dagewesene Ausstellungsreihe sein.

Nicht nur der künstlerische Ansatz macht dieses Projekt besonders, sondern auch der philanthropische Teil, der die Liebe zur Kunst mit der Liebe zu den Tieren verbindet. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Ich wollte dieses Projekt mit einem philanthropischen und verantwortungsvollen Ansatz verknüpfen, nämlich einen Beitrag zur Erhaltung von Gebieten zu leisten, die von der menschlichen Präsenz unberührt sind. Ich bin in einer ländlichen Welt aufgewachsen, in der Gewalt gegen Tiere trivialisiert/alltäglich war: Diese Bilder sind für immer in mir verankert. Heute gibt es dieselbe Gewalt immer noch, aber sie ist heimtückischer und die Verleugnung durch den Menschen kommt ihr entgegen. Der Mensch hat sich das Recht angeeignet, das Leben von Tieren und Pflanzen zu zerstören und wir handeln in der Hoffnung, dass wir einen Teil von dem retten können, was noch zu retten ist.

Alle Gewinne von MONEY FOR NOTHING werden an einen Verein oder eine Einrichtung gegeben, die den Kauf von Territorien verwaltet, die von jeglicher menschlicher Präsenz verschont bleiben. Dies wird unter strenger rechtlicher und finanzieller Kontrolle geschehen, um die Nachhaltigkeit dieser Aktionen in Frankreich oder im Ausland zu gewährleisten. 

Ich habe weitere Projekte, die in diese Richtung gehen. In einer zweiten Phase möchte ich eine Art Niemandsland (im wörtlichen Sinne) schaffen, das einer Vielzahl von Eigentümern gehört (jeder hält einen sehr kleinen Teil des für eine symbolische Summe erworbenen Territoriums). Dieses Land wäre vertraglich vor „wirtschaftlicher“ Besitzergreifung geschützt und würde der Natur erlauben, ihre Rechte wiederzuerlangen.

MFN 29 by MICHAEL BEERENS

MFN 68 by C215

MFN 80 by PENNY

Kunst ist Geld, Geld ist Kunst? Was ist deine persönliche Meinung über die komplexe Beziehung zwischen Kunst und Geld?

Die Antwort auf diese Fragen findet sich im Namen des Projekts, MONEY FOR NOTHING. Das Projekt wurde konzeptionell, während es entstand. Jedes der Werke wurde gekauft und einige der Geldscheine sind Museumsstücke. Ich möchte, durch den rechtlichen Status, den unteilbaren und nicht-kommerziellen Charakter der Sammlung sicherstellen. Die Unmöglichkeit, sie weiterzuverkaufen, wird ihr also jeglichen kommerziellen Tauschwert entziehen. Ich bin vor allem ein Sammler, aber auch ich bin nicht in der Lage, ein Werk weiterzuverkaufen, selbst jene, die ich als Student erworben habe (auch wenn sie mir nicht mehr die gleichen Emotionen vermitteln). Für mich ist Kunst Emotion, Energie und Spannung. Kunst ist zu Geld geworden, was auch notwendig ist, besonders für Künstler. Nichts wird den Exzess aufhalten, sei es um einen Künstler zu über- oder zu unterbieten, dies ist auch in vielen anderen Bereichen der Fall.

MFN 33 by BEATRIZ GARRIDO

MFN 14 by JURY

MFN 17 by ICY AND SOT

MFN 04 by SKWEEZ

Was ist als nächstes geplant? Wo siehst du das Projekt in 5 Jahren? 

In 5 Jahren? Die erste Ausstellung soll in etwa 18 Monaten stattfinden. Eine Serie von 20 bis 25 Ausstellungen wird in verschiedenen Städten in Frankreich über einen Zeitraum von einem Jahr folgen. Einige ausländische Städte werden in Betracht gezogen, was das Projekt für 2 Jahre auf Wanderschaft bringen würde, was bedeutet, dass die nächsten 3 Jahre ausgebucht sein werden. Mein Team und ich denken darüber nach, das gesamte Projekt an ein Museum oder eine Stiftung, den französischen Staat oder eine Organisation zu spenden, die es über die 1001 hinaus am Leben erhalten kann. Rechtlich gesehen wird das Projekt unteilbar und ohne Marktwert bleiben.

MFN 61 by NSH

MFN 01 by TKID170

MFN 99 by GREGOS

MFN 51 by ANDREW MACKAY

MFN 5 by CREY 132

MFN 47 by CHRIS BOYLE

Dominique Barlaud I MONEY FOR NOTHING

Paris, Frankreich

Website moneyfornothing.fr

Instagram moneyfornothing1001

Facebook MONEYFORNOTHING1001

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Bilder © MONEY FOR NOTHING

 

Juli 2021

by Laura Vetter